Mittwoch, 19. Dezember 2012

Vorweihnachtlicher und anderer Stress

Mitte November realisiere ich für gewöhnlich zum ersten Mal, dass in relativ absehbarer Zeit Weihnachten ist. Allerdings bilde ich mir dann ein, dass noch genug Zeit für alles bleibt, verdränge meinen Kalender und halte diesen Irrglauben erschreckend lange aufrecht. Das führt natürlich dann zu vielen vielen Aufgaben an ganz wenigen Tagen ziemlich kurz vor dem 24. 
Wenn sich erstmal so viel zu tun angesammelt hat, verfalle ich in eine Art Schockstarre, weil ich leider überhaupt nicht weiß, wo ich anfangen soll. Also schiebe ich alles auf und sortiere statt dessen meine CDs und Bücher, baue das Playmobil vom Großen zu einem Schaubild auf oder treibe mich im Internet rum. Also eine etwas kontraproduktive Bewältigungsstrategie. 
Das Pendant dazu sind übrigens Prüfungsphasen oder nahende Abgabetermine in der Uni. Da komm ich dann nicht an den Schreibtisch, dafür ist die Wohnung blitzblank inklusive geputzter Fenster und entstaubten Lampen. 
Tja und dieses Jahr kommt beides zusammen, was mich in eine ziemliche Misere bringt. Was mach ich denn jetzt? Schockstarre oder Putzwahn? 
Momentan wechsle ich noch mehrmals täglich. Heute habe ich zum Beispiel schon Playmobil gebaut, Küche geputzt, den Flur aufgeräumt, ein Lesezeichen an meinen Kalender für 2013 genäht und diverse Blogs gelesen. 
Ergebnis: Das permanente Wechseln verwirrt mich ziemlich, ich habe weder Geschenke besorgt, noch an meinen Abgaben gearbeitet. Müde und erschöpft bin ich trotzdem. Jetzt ist der Kleine auch noch krank und für Morgen erwäge ich den Test einer neuen Strategie: Winterschlaf. 

Freitag, 14. Dezember 2012

Wie man in den Wald hineinruft ...

... so schallt es heraus. Das gilt übrigens auch für Erziehungsmethoden. Erziehung an sich ist ja ohnehin ein sehr umfangreiches und überaus streitbares Thema, hinzu kommt, dass das Leben mit Kindern eine Grenzerfahrung ist und zur Selbsterkenntnis zwingt.
Zum Beispiel ist man manchmal einfach nicht so souverän, cool, gelassen oder korrekt wie man gerne wäre oder wie man bislang dachte zu sein. Zum Beispiel sehr früh morgens, wenn man durch unheilverkündendes Scheppern und anschließendes Weinen geweckt wird, oder in der Stadt, wenn man gleichzeitig den Kinderwagen schiebt, den Monatseinkauf schleppt, den bockigen Dreijährigen motiviert und dann auch noch vorbildlich auf unvorhergesehene zwischenmenschliche Interaktionen mit älteren, sturen, unhöflichen Menschen reagieren soll.
Ähnliches gilt für die grundlegenden Schimpfwörter. Ging mir aber auch erst auf, als mein Erstgeborener mit knappen zwei Jahren energisch die Küche fegte und immer wieder "Scheiße ... Scheiße ... Scheiße!" vor sich hin murmelte. Eine perfekte Imitation meines Putzverhaltens.
Aber auch dem Nachwuchs gegenüber rutscht zumindest mir manchmal eher zweifelhaftes Verhalten raus. Dann wird schon mal gemeckert, bis drei gezählt oder mit wenn ..., dann ... -Sätzen gedroht.
Alles Sachen, die ich eigentlich doof finde und zu vermeiden suche. Klar, kein Weltuntergang und ich wage zu behaupten, dass ich kein Einzelfall bin, aber neuerdings bin ich dazu gezwungen, das ganze aus noch einem weiteren, bisher nicht bedachten Blickwinkel zu betrachten. Heute beim Abendbrot entspann sich die recht übliche Diskussion über das Schlafen gehen.
Die Argumente ("Nein, Mama, ich bleibe die ganze Nacht auf. Ich bin eine Nachteule!"; "Ich bin nicht müde."; "Ich hab schon bei Papa geschlafen.") waren mir alle schon recht gut bekannt.
Diese Gespräche verlaufen auch immer recht ähnlich und der Ausgang ("Du gehst trotzdem gleich ins Bett.") dürfte meinen Sohn nicht überrascht haben. Umso mehr überraschte mich sein Konter:
"Nein, Mama, das darfst du nicht sagen! Sonst bist du 1 2 3 im Bett!!!"



Donnerstag, 13. Dezember 2012

22:54 Uhr

Hier bin ich und warte
und weiß nicht worauf
vielleicht auf Frau Saelde
vielleicht auf den Tag

Aber
was auch immer Du glaubst
so sei Dir gewiss:
ich schweige mich aus
und Du bist es nicht.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Tipp: Lesen und Hören

Giovanni Boccaccios Dekameron gehört zweifellos zu den Dingen, die mit den Jahrhunderten weder an Wert noch an sonst irgendwas verlieren. Während der Pestepidemie 1348 in Florenz flüchten sieben junge Damen und drei Junge Herren aufs Land und vertreiben sich dort die Zeit mit Erzählen. An zehn Tage werden jeweils zehn Geschichten über das Glück und das Leid der Liebe erzählt.
Diese einhundert Erzählungen sind absolut lesenswert!

Wer jetzt in den nächsten Buchladen flitzt und sofort rückwärts wieder rausstolpert, weil das gute Stück mal locker stolze 896 Seiten hat, dem empfehle ich die Hörbuchversion. Anna Thalbach und Barbara Becker lesen neun ausgewählte Geschichten aus dem Dekameron. Es macht Spaß zuzuhören und verleitet bestenfalls zu einer Rückkehr in den Buchladen, um doch noch die gedruckte und ausführliche Version zu erstehen. Erschienen ist das Hörbuch übrigens 2007 im Argon Verlag.
Sowohl das Buch als auch die CD eigenen sich für den Hausgebrauch, als (Weihnachts-)Geschenk und  bieten gute Unterhaltung in fast allen anderen Lebenssituation. Beim Busfahren, zum Beispiel.

ISBN 9783596900060


ISBN 9783866103467


Montag, 10. Dezember 2012

Busfahren. Abenteuer der Zivilisation

Den Grundgedanken öffentlicher Verkehrsmittel finde ich ja absolut berechtigt, sinnvoll, gut. Auch in Anbetracht der eventuell bevorstehenden Klima-Apokalypse scheint mir das ein gutes Konzept zu sein. Gute Sache, an sich. Sozial ist es auch, man trifft mit vielen, vielen Leuten zusammen. Jeden Tag.
Der Haken: Man trifft mit vielen, vielen Leuten zusammen. Jeden Tag.
Ob man will oder nicht, gefragt wird man sowieso nicht. Aber die meisten Menschen haben Tage, da wollen sie niemandem begegnen und besonders im Zusammenhang mit überfüllten Bussen und Bahnen habe ich sehr oft solche Tage.
Vermutlich treffen in meinem Fall einfach unglaublich viele beeinträchtigende Kriterien zusammen:
Ich bin eine arme Studentin, habe also kein Auto. Dafür habe ich Kinder und zwar gleich zwei von der Sorte. Noch dazu muss ich täglich irgendwohin; zum Kindergarten, zur Uni, zum Arzt oder zu Freunden. Dementsprechend oft nutze ich mein Studententicket. Das sind die Rahmenbedingungen meiner Misere. Manchmal ist das alles nicht so schlimm: das Wetter ist gut, mein Baby schläft friedlich im Kinderwagen, der Große und ich haben gute Laune, den Kinderwagen hebt mir ein hübscher Mann in den Bus, während er nebenbei mit mir flirtet und sowohl der Stehplatz für den Wagen als auch die dazugehörigen Klappsitze sind frei. Das ist eher die Ausnahme. Meistens ist der Bus voller weltfremder Studenten und muffiger Rentner, während ich versuche gleichzeitig den Kinderwagen hineinzuzerren, den Großen hinterherzudiskutieren und Plätze zu ergattern, drängeln sich all die jungen Männer mit den starken Armen rücksichtslos an uns vorbei. Außerdem lungern noch ein paar dieser Sorte genau da rum, wo eigentlich der Platz für Kinderwägen und Rollstuhlfahrer ist, und auf dem Klappsitz sitzt unter Garantie eine süße, kleine Omi. Die Herumlungerer und die Omi besetzten übrigens auch dann unsere Plätze wenn der Bus quasi leer ist und auf die Idee, eventuell etwas Platz zu machen, kommen die natürlich auch nicht von selbst. Ein Studienplatz ist kein Garant für soziale Kompetenzen, Benimm oder Bus-fahr-Verhalten, dass das eines Grundschülers übersteigt. Naja. An solchen Tagen regnet es natürlich auch, mein Baby weint und der Große hat kein Bock zu nix. An solchen Tagen bin ich dann auch eher misanthropisch gelaunt.
Allerdings bringen solche Situationen erstaunlicher Weise manchmal ihre eigenen Helden hervor: Einmal stand ich, ziemlich verzweifelt und offensichtlich überfordert, mit dem Kinderwagen am oberen Ende einer unüberwindlich scheinenden Treppe. Das war wohl bemerkt in einem Bahnhof, ich kam grad mit dem Zug von der Uni. Links und rechts gingen haufenweise Studenten an mir vorbei, darunter der ein oder andere mit recht offensichtlicher Muskelkraft. Auch viele vom optischen Typ Lehramt, Soziologie, Politik oder Kunst. Ich stand also recht lange da oben und guckte mich immer wieder hilfesuchend um. Es heißt zwar selbst sei die Frau, aber ich finde, ich bin verdammt oft selbst die Frau und manchmal braucht auch selbst die Frau eine helfende Hand. Als ich mich fast damit abgefunden hatte, wohl oder übel den Kinderwagen Stufe für Stufe runterzuhebeln, blieb ein Mann neben mir stehen. Dieser Mann hatte seine übermäßige und offensichtlich künstliche Bräune geschickt mit rosa Polohemd und Brilli kombiniert, dazu hatte er seine Haare mit so einem amüsanten Rasur-Muster aufgehübscht. Er sah mich an und fragte: "Darf isch Ihnen helfen?" Noch bevor ich irgendwas sagen konnte, schnappte er sich mit seinen beachtlichen Armen den Wagen und trug ihn runter.
Und die Moral von der Geschicht: Schein und Sein entsprechen sich nicht.

Samstag, 27. Oktober 2012

Zwischenfazit

In einer Woche voller ganz alltäglichem Wahnsinn kommt frau und Mutter ja zu einigen mehr oder weniger weltbewegenden Einsichten.
Zum Beispiel ist Schnuller nicht gleich Schnuller, auch dann nicht, wenn man erst drei Monate alt ist und ansonsten eher weniger klar definierte Ansprüche hat. Außerdem scheinen kleine Kinder und wenigstens lauwarmer Kaffee nicht friedlich koexistieren zu können. Sofern ich letzteren nämlich nicht fluchend aufwischen will, bin ich gezwungen ihn in die Unerreichbarkeit zu verbannen, wo ich ihn dann vergesse bis er kalt ist. Weiterhin sind Kinder auch schon in den frühen Morgenstunden munter, ziemlich egal, wie lang sie abends wach sind. Daraus ergibt sich die unglückliche Kombination aus Übermüdung, viel zu niedrigem Koffein-Haushalt und Resignation mütterlicherseits. Natürlich versuche ich mir meine Laune nicht anmerken zu lassen und beglückwünsche mich im Stillen dazu, dass Kinder in diesem Alter ironische noch nicht von echter Euphorie unterscheiden können. So vergehen ein paar chaotische Stunden mit spielen, Bücher vorlesen, kuscheln, durch die Wohnung krabbeln, wickeln, baden und den erfolglosen Versuchen, selbstständiges Spielen attraktiv zu machen. Ich trinke kalten Kaffee und sehne die Mittagspause herbei - meine rettende Insel mitten am Tag. Leider bin ich die Königin in einer konstituellen Monarchie und der echte Chef hat keine Lust zu schlafen. Auch unter ruhig und leise spielen versteht er offensichtlich etwas ganz anderes als man allgemein annehmen könnte. Taubstellen, neuen Kaffee und Unschuldsmiene aufsetzten, Rechner hochfahren und ziemlich optimistisch eine Zeitung aufschlagen. Wär´ doch gelacht, wenn ich nicht ein paar Minuten für mich rausschlagen könnte! "Mama! ... Mamaah! ... Maamaaah!" Gar nicht so leicht, das mit der Taubheit. "Maamaaaah!!!" Warum kommt er nicht wenigstens zu mir in die Küche? Er hat doch zwei ziemlich gesunde Beine und Füße, zumindest schließe ich das aus dem Trappeln und Hüpfen. "Komm her, wenn Du was willst!", brülle ich würdevoll und autoritär zurück. Offensichtlich nicht autoritär genug, das Kind hat die selektive Taubheit perfektioniert und ruft einfach weiter: "Maaaaamaaaaaaah!" Während mein Sohn meinen Dickkopf geerbt und ihn mit seiner kindlichen, ungebremsten Energie zu einer Art Superkraft entwickelt hat, weist meine nervliche Belastbarkeit die deutlichen Spuren vom Leben mit zwei Kindern und einem Mann auf. Es ist also eher kläglich. Daher gebe ich auf und trotte ins Kinderzimmer, wo mein Sohn auf mich losstürmt. Er trägt einen alten breitkrempigen Hut  á la Indianer Jones, ein Relikt meiner eigenen Kindheit, und einen Tiger-Schwanz.  Und natürlich fehlt dieser Kostümierung das passende Reittier; diese Ehre wird heute wohl mir zuteil. Mein Glückstag.
Die Machtverhältnisse im Kleinstaat Familie habe ich ja bereits erwähnt. Aber was tue ich nicht alles, für den Größeren der beiden wichtigsten Menschen auf der Welt?! Nach ein paar Runden durch die Wohnung gewinnt mein letzter Rest natürlichen Egoismus´ endlich die Oberhand und ich kündige meinen Job als Pferd. Der Rest des Tages wird nun noch mit essen, aufräumen, waschen, Zähne putzen und geschätzten vier allerletzten Büchern vor dem Schlafengehen seinen Lauf nehmen. Noch habe ich den Vorsatz, endlich einmal früh ins Bett zu gehen, um dem Teufelskreis aus Übermüdung und kaltem Kaffee zu entkommen, erfahrungsgemäß wird sich dieser Vorsatz aber verflüchtigen, sobald hier Ruhe einkehrt und mir plötzlich ganz viel einfällt, was entweder wichtiger ist oder aber mehr Spaß macht, als einfach nur erschöpft ins Bett zu fallen.

Montag, 2. Mai 2011

Tot liegt nun ...

In der letzten Nacht hat ein US-Spezialkommando den Al-Qaeda-Kopf Osama Bin Laden in Pakistan getötet. Heute scheint das ziemlichen vielen Menschen eine Freude zu machen, auch Merkel "freut" sich. Also Erleichterung kann ich ja noch verstehen, aber Freude??? Ernsthaft? Freude über den Tod eines Menschen? Da läuft doch was schief.
Sollte nicht gerade Nationen, die sich christliche Werte auf ihre Flaggen schreiben und sich immer wieder gern mit einer gewissen westlichen=moralischen Überlegenheit brüsten, die Vergebung wesentlich näher sein als Rache?
Falsch gedacht. In der Realität macht nämlich der öffentlich gefeierte Mord an einem Mörder die Welt zu einem besseren Ort. Angeblich.
Obama sagte, nun sei der Gerechtigkeit genüge getan - verdammt, das hier ist doch nicht der Wilde Westen?!

Aber da fällt mir Das Lied vom langen Leutnant Nagel ein:


1. 
In dem dunklen Wald von Paganowo

lebte einst ein wüster Räubersmann.

Und er war der Schrecken aller Guten,

weil er viel Böses hatte schon getan. 


2.
 Doch da kam der lange Leutnant Nagel,

und er sprach: "Den pack ich mir beim Bart!"

Und er hat eine wilde Schar Soldaten
um sich herum geschart zu kühner Tat. 


3.
 In den dunklen Wald von Paganowo

fiel er ein bei Tag und auch bei Nacht,

bis er dann den frechen Räuberburschen

eines Tags zur Strecke hat gebracht. 


4. Und der Räuber, ja der trug ein Holzbein
war ein richtger Mörder auch sogar,
und er musste sich selbst die Grube graben
was seine letzte Räuberhandlung war. 

5. Tot liegt nun im Wald von Paganowo

der verruchte, böse Räuberhund.

Und das Lied vom langen Leutnant Nagel

geht nun in Russland um von Mund zu Mund.

Nur, dass Osama Bin Laden ja praktischer Weise ziemlich zügig auf See bestattet wurde, angeblich, und es von der ganzen Geschichte kaum Beweise gibt. Ein gefälschtes Foto, einen angeblichen DNA-Test ...  
Irgendwie bezweifle ich, dass die ganze Geschichte mit der Zeit nachvollziehbarer, logischer und vor allem bewiesen wird. Geschweige denn irgendwie dazu führt, dass solche Aktionen sich nicht länger in den ewig weiten Grauzonen des Tolerierbaren befinden. Ist ja nicht das erste Mal.