Mittwoch, 5. Mai 2010

Von Butterkuchen und dem Rilketopf

Moritz Rinke ließt „Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel“ im Theater unter Tage.

Das Theater unter Tage ist gut gefüllt, das Licht gedämmt und vor der Zuschauertribüne sitzt ein Mann mittleren Alters in Hemd und dunklem Pullover an einem Tisch vor einigen beschriebenen Blättern und einem Krug Wasser. Moritz Rinke ließt aus seinem neuen Roman „Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel“.

Mit angenehmer Stimme entführt der Autor das Publikum in den Roman und erzählt mal leichtfüßig, mal urkomisch aber immer mitreißend von dem Künstlerdorf Worpswede.

Der erfahrene Dramatiker beweist in seinem Romandebüt Vielseitigkeit, über drei Generationen erzählt er von der berühmten Künstlerkolonie, weder der feine, bisweilen ironische Humor, der Tiefgang noch die Spannung kommen zu kurz. Moritz Rinke lässt es sich auch nicht nehmen seine mitunter äußerst kuriosen Figuren zu imitieren.

Im eben noch erwartungsvollen Publikum macht sich zusehends Erheiterung breit, man verfolgt gespannt ein Kaffeetrinken der Familie Kück-Wendland zwischen Butterkuchen, Liebesbriefen an Ringo Starr, Hasenmenschen und Schöpfertagen, erfährt von der Schrankgeburt eines Protagonisten und spätestens als die skulpturalen Abbilde von Luther, von Otto von Bismarck und von Rodin nur durch das Vertäuen an einer alten Eiche davon abgehalten werden können, im Teufelsmoor zu versinken, ist der Zuschauer restlos der vielseitigen und feinsinnigen Tragikomik verfallen.

Allerdings unterhält dieser Roman nicht nur durch das Erzählen einzelner Schicksale, er nimmt auch Bezug auf die nationalsozialistische Vergangenheit und beleuchtet wie das Künstlerdorf diese erlebte und auch wieder zu verarbeiten suchte.

Angefüllt mit einer großen Bandbreite an Gefühlen, Figuren, Ereignissen und durchaus aktuellen Themen entlässt Moritz Rinke nach gut einer Stunde Lesung sein Publikum in die Nacht. So mancher Zuhörer wird nach dieser Lesung das Gefühl haben, selbst ein wenig durch das Jahrhundert gefallen zu sein.