Samstag, 27. Oktober 2012

Zwischenfazit

In einer Woche voller ganz alltäglichem Wahnsinn kommt frau und Mutter ja zu einigen mehr oder weniger weltbewegenden Einsichten.
Zum Beispiel ist Schnuller nicht gleich Schnuller, auch dann nicht, wenn man erst drei Monate alt ist und ansonsten eher weniger klar definierte Ansprüche hat. Außerdem scheinen kleine Kinder und wenigstens lauwarmer Kaffee nicht friedlich koexistieren zu können. Sofern ich letzteren nämlich nicht fluchend aufwischen will, bin ich gezwungen ihn in die Unerreichbarkeit zu verbannen, wo ich ihn dann vergesse bis er kalt ist. Weiterhin sind Kinder auch schon in den frühen Morgenstunden munter, ziemlich egal, wie lang sie abends wach sind. Daraus ergibt sich die unglückliche Kombination aus Übermüdung, viel zu niedrigem Koffein-Haushalt und Resignation mütterlicherseits. Natürlich versuche ich mir meine Laune nicht anmerken zu lassen und beglückwünsche mich im Stillen dazu, dass Kinder in diesem Alter ironische noch nicht von echter Euphorie unterscheiden können. So vergehen ein paar chaotische Stunden mit spielen, Bücher vorlesen, kuscheln, durch die Wohnung krabbeln, wickeln, baden und den erfolglosen Versuchen, selbstständiges Spielen attraktiv zu machen. Ich trinke kalten Kaffee und sehne die Mittagspause herbei - meine rettende Insel mitten am Tag. Leider bin ich die Königin in einer konstituellen Monarchie und der echte Chef hat keine Lust zu schlafen. Auch unter ruhig und leise spielen versteht er offensichtlich etwas ganz anderes als man allgemein annehmen könnte. Taubstellen, neuen Kaffee und Unschuldsmiene aufsetzten, Rechner hochfahren und ziemlich optimistisch eine Zeitung aufschlagen. Wär´ doch gelacht, wenn ich nicht ein paar Minuten für mich rausschlagen könnte! "Mama! ... Mamaah! ... Maamaaah!" Gar nicht so leicht, das mit der Taubheit. "Maamaaaah!!!" Warum kommt er nicht wenigstens zu mir in die Küche? Er hat doch zwei ziemlich gesunde Beine und Füße, zumindest schließe ich das aus dem Trappeln und Hüpfen. "Komm her, wenn Du was willst!", brülle ich würdevoll und autoritär zurück. Offensichtlich nicht autoritär genug, das Kind hat die selektive Taubheit perfektioniert und ruft einfach weiter: "Maaaaamaaaaaaah!" Während mein Sohn meinen Dickkopf geerbt und ihn mit seiner kindlichen, ungebremsten Energie zu einer Art Superkraft entwickelt hat, weist meine nervliche Belastbarkeit die deutlichen Spuren vom Leben mit zwei Kindern und einem Mann auf. Es ist also eher kläglich. Daher gebe ich auf und trotte ins Kinderzimmer, wo mein Sohn auf mich losstürmt. Er trägt einen alten breitkrempigen Hut  á la Indianer Jones, ein Relikt meiner eigenen Kindheit, und einen Tiger-Schwanz.  Und natürlich fehlt dieser Kostümierung das passende Reittier; diese Ehre wird heute wohl mir zuteil. Mein Glückstag.
Die Machtverhältnisse im Kleinstaat Familie habe ich ja bereits erwähnt. Aber was tue ich nicht alles, für den Größeren der beiden wichtigsten Menschen auf der Welt?! Nach ein paar Runden durch die Wohnung gewinnt mein letzter Rest natürlichen Egoismus´ endlich die Oberhand und ich kündige meinen Job als Pferd. Der Rest des Tages wird nun noch mit essen, aufräumen, waschen, Zähne putzen und geschätzten vier allerletzten Büchern vor dem Schlafengehen seinen Lauf nehmen. Noch habe ich den Vorsatz, endlich einmal früh ins Bett zu gehen, um dem Teufelskreis aus Übermüdung und kaltem Kaffee zu entkommen, erfahrungsgemäß wird sich dieser Vorsatz aber verflüchtigen, sobald hier Ruhe einkehrt und mir plötzlich ganz viel einfällt, was entweder wichtiger ist oder aber mehr Spaß macht, als einfach nur erschöpft ins Bett zu fallen.