Montag, 10. Dezember 2012

Busfahren. Abenteuer der Zivilisation

Den Grundgedanken öffentlicher Verkehrsmittel finde ich ja absolut berechtigt, sinnvoll, gut. Auch in Anbetracht der eventuell bevorstehenden Klima-Apokalypse scheint mir das ein gutes Konzept zu sein. Gute Sache, an sich. Sozial ist es auch, man trifft mit vielen, vielen Leuten zusammen. Jeden Tag.
Der Haken: Man trifft mit vielen, vielen Leuten zusammen. Jeden Tag.
Ob man will oder nicht, gefragt wird man sowieso nicht. Aber die meisten Menschen haben Tage, da wollen sie niemandem begegnen und besonders im Zusammenhang mit überfüllten Bussen und Bahnen habe ich sehr oft solche Tage.
Vermutlich treffen in meinem Fall einfach unglaublich viele beeinträchtigende Kriterien zusammen:
Ich bin eine arme Studentin, habe also kein Auto. Dafür habe ich Kinder und zwar gleich zwei von der Sorte. Noch dazu muss ich täglich irgendwohin; zum Kindergarten, zur Uni, zum Arzt oder zu Freunden. Dementsprechend oft nutze ich mein Studententicket. Das sind die Rahmenbedingungen meiner Misere. Manchmal ist das alles nicht so schlimm: das Wetter ist gut, mein Baby schläft friedlich im Kinderwagen, der Große und ich haben gute Laune, den Kinderwagen hebt mir ein hübscher Mann in den Bus, während er nebenbei mit mir flirtet und sowohl der Stehplatz für den Wagen als auch die dazugehörigen Klappsitze sind frei. Das ist eher die Ausnahme. Meistens ist der Bus voller weltfremder Studenten und muffiger Rentner, während ich versuche gleichzeitig den Kinderwagen hineinzuzerren, den Großen hinterherzudiskutieren und Plätze zu ergattern, drängeln sich all die jungen Männer mit den starken Armen rücksichtslos an uns vorbei. Außerdem lungern noch ein paar dieser Sorte genau da rum, wo eigentlich der Platz für Kinderwägen und Rollstuhlfahrer ist, und auf dem Klappsitz sitzt unter Garantie eine süße, kleine Omi. Die Herumlungerer und die Omi besetzten übrigens auch dann unsere Plätze wenn der Bus quasi leer ist und auf die Idee, eventuell etwas Platz zu machen, kommen die natürlich auch nicht von selbst. Ein Studienplatz ist kein Garant für soziale Kompetenzen, Benimm oder Bus-fahr-Verhalten, dass das eines Grundschülers übersteigt. Naja. An solchen Tagen regnet es natürlich auch, mein Baby weint und der Große hat kein Bock zu nix. An solchen Tagen bin ich dann auch eher misanthropisch gelaunt.
Allerdings bringen solche Situationen erstaunlicher Weise manchmal ihre eigenen Helden hervor: Einmal stand ich, ziemlich verzweifelt und offensichtlich überfordert, mit dem Kinderwagen am oberen Ende einer unüberwindlich scheinenden Treppe. Das war wohl bemerkt in einem Bahnhof, ich kam grad mit dem Zug von der Uni. Links und rechts gingen haufenweise Studenten an mir vorbei, darunter der ein oder andere mit recht offensichtlicher Muskelkraft. Auch viele vom optischen Typ Lehramt, Soziologie, Politik oder Kunst. Ich stand also recht lange da oben und guckte mich immer wieder hilfesuchend um. Es heißt zwar selbst sei die Frau, aber ich finde, ich bin verdammt oft selbst die Frau und manchmal braucht auch selbst die Frau eine helfende Hand. Als ich mich fast damit abgefunden hatte, wohl oder übel den Kinderwagen Stufe für Stufe runterzuhebeln, blieb ein Mann neben mir stehen. Dieser Mann hatte seine übermäßige und offensichtlich künstliche Bräune geschickt mit rosa Polohemd und Brilli kombiniert, dazu hatte er seine Haare mit so einem amüsanten Rasur-Muster aufgehübscht. Er sah mich an und fragte: "Darf isch Ihnen helfen?" Noch bevor ich irgendwas sagen konnte, schnappte er sich mit seinen beachtlichen Armen den Wagen und trug ihn runter.
Und die Moral von der Geschicht: Schein und Sein entsprechen sich nicht.

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